Peinlich für Potsdam

Zum Wiederaufbaustreit der Garnisonkirche

Horst Prietz
Erster Vorsitzender des Kulturausschusses der Potsdamer SVV nach der Wiedervereinigung

Foto: MAZ Horst Prietz

Als „La Fenice“ 1996 abbrannte, waren sich alle einig und einer verkündete es am nächsten Tag: “Sie wird, wie sie war, wiederaufgebaut“. Damit wurde jahrelangem Debattieren wie hier in Potsdam um das Wie, Wann, Wieso überhaupt und wenn schon, dann zeitgenössisch – also modernistisch verbrämt und verfälscht – kein Nährboden gegeben.

Die Venezianer und die Kulturwelt hatten sich verstanden, das berühmte Opernhaus sollte, wie es war, wieder aufgebaut werden und so entstand es wie Phönix aus der Asche.

Aber welche Peinlichkeiten erleben wir in Potsdam, wenn es um die Garnisonkirche geht – hier wird immer wieder von neuem palavert und das mitunter bis hinein in die kontraproduktiven Niederungen. Dabei ist zu erkennen, dass die Gegner einfach nicht fähig sind den nationalistischen Ballast von dieser architektonisch wunderschönen Kirche abzuwerfen und Potsdams Genesung als geschichtliches Ganzes frohgemut entgegen zu sehen. Und denen, die da sagen das Rechenzentrum sei ihnen lieber sei ins Buch geschrieben was der Ministerpräsident Dietmar Woidke in seiner Trauerrede zu Manfred Stolpe sagte: “Die Denkmale sind die Zeugen unserer Landesgeschichte”. Solche Worte künden von Verantwortung auch für unser Potsdam. Und die Willenserklärung der Stadtverordneten zum Wiederaufbau war genau von diesem Geist getragen.

Übrigens: beim Stadtschloss war die Diskussion nicht viel anders und heute spazieren die ehemaligen Gegner mit ihrem Besuch hierher, um es ihm zu zeigen, auch das Barberini, weil sie wissen, dass Potsdam nicht von der belanglosen Architektur der Bauten der Neuzeit partizipiert, sondern wie anderswo auf der Welt auch von denen der Geschichte, also unserem Erbe.

Und das sei denen aus der Subkultur ebenfalls verdeutlicht: es geht ihnen in Potsdam nur gut, weil es Potsdam gut geht und es geht Potsdam nur gut, weil es eben von seiner kulturellen und architektonischen Pracht partizipiert und Menschen von nah und fern anzieht, selbst Wissenschafts- und Wirtschaftsunternehmen/Institute siedelten sich in jüngere Zeit an, weil sie Potsdam aus diesem Grund präferieren – so kommt Geld in die Stadt, das eben auch den vielen Künstlern als Zuwendung zur Verfügung gestellt werden kann – ohne die Ausstrahlung Potsdams wäre es “dünner”!

Und keiner will über diesen für Potsdam peinlichen Streit begreifen, wie sehr das worüber in letzter Zeit und eigentlich immer wieder hemmungslos und selbstdarstellerisch palavert wird, Teil unseres Kulturerbes ist, welcher Anspruch auf eine unverfälschte Darstellung hat. Niemand erwartet, dass sich jeder vor unserer Geschichte verneigt, zumal viele von uns diese auch zum großen Teil leidvoll erfahren haben, aber für unser schönes Potsdam sollte man fähig sein Größe zu zeigen, Größe die für kulturellen Leistungen, die einer Kulturstadt würdig sind.

Oh, ihr Venezianer, ihr habt La Fenice in acht Jahren wieder aufgebaut – hier dagegen palaverte man schon vor euch und jetzt noch immer. Auch ihr Dresdner habt eure Frauenkirche mit Vernunft und Fleiß wiederaufgebaut.

Kann denn niemand in Potsdam über seinen Schatten springen und für diese im Krieg so verwundete Stadt ein aus der Vernunft geborenes Zeichen des Aufeinander Zugehens setzen, damit unser aller Kulturerbe, welches Teil des europäischen Kulturgutes ist, seine weitere Genesung erfährt.

Als ich den Wiederaufbau der Garnisonkirche, des Stadtschlosses – also des historisch sensiblen Altstadtbereiches – thematisierte und fraktionsübergreifend die Willenserklärung zum Wiederaufbau 1991 demokratisch beschlossen wurde, sprach niemand von einer halben Kirche, also es wurde nichts von Änderungen am Baukörper, auch nicht an der Turmspitze zum Bestandteil der Bekundung, weil klar war, dass ein Kulturerbe auch nicht in Teilen verändert werden darf. Dabei handelten wir in historischer Verantwortung in der Gegenwart für die Zukunft dieser Stadt.