Saskia Hüneke zu Arnold Bartetzky „Deutschlands fragwürdigstes Rekonstruktionsprojekt“ (F.A.Z. vom. 25. November)

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Symbolik des Wiederaufbaus

Zu Arnold Bartetzky „Deutschlands fragwürdigstes Rekonstruktionsprojekt“ (F.A.Z. vom. 25. November): Die durch Bartetzky vorgenommene Gleichsetzung diktatorisch verfügter Abrisse der DDR Zeit mit den demokratisch untersetzten Beschlüssen zum Stadtumbau in der Potsdamer Mitte ist für mich, die ich in der DDR aufgewachsen und jetzt an diesen Beschlüssen beteiligt bin, unerträglich.

Doch ja, das Fehlen der Garnisonkirche ist für viele Menschen schmerzhaft, und, ebenfalls ja, viele empfinden die DDR Bauten, die wegen ihrer städtebaulichen Mängel urbaneren Stadtstrukturen weichen sollen, als wertvoll. Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg: einen differenzierten öffentlichen Diskurs und darauf fußende demokratische Mehrheitsentscheidungen. Genau dies hat in Potsdam von 1990 bis heute stattgefunden, und ich beklage ausdrücklich die Ignoranz altbundesdeutscher Autoren gegen über diesen Prozessen in einer hochengagierten Bürgerschaft.

Der Stadtumbau betrifft nur den Kern der Potsdamer Mitte. Zahllose Bauwerke der DDR-Zeit wurden seit 1990 in Potsdam hervorragend saniert. Es kann keine Rede davon sein, diese Zeitschicht würde mit „brachialen Mitteln“ und einer „Tabula-rasa-Haltung“ beseitigt. Die Fragen nach der Berechtigung von Rekonstruktionen oder des Denkmalwertes der DDR Bauten wurden ebenso erörtert wie die Frage, ob der Erhalt der FH oder die Errichtung von 600 Wohnungen in Bahnhofsnähe nachhaltiger ist. Die neuen Baufelder anstelle des FH-Gebäudes werden einzelne historisierende, viele neue Bauten und einen ausdrücklich sozialverträglichen Wohnungsmix erhalten. Die Fachhochschule ist nach Planung des Landes Brandenburg längst in einen hervorragen den Campus in maximal 15 Fahrradminuten Entfernung umgezogen. Eine Fülle öffentlicher Kultureinrichtungen belebt die Mitte. Die Zwischennutzung des Rechenzentrums ist der freundlichen Zustimmung der Garnisonkirchenstiftung zu verdanken, der Eigendynamik der Kunst- und Kreativszene folgt die Stadt, ebenfalls mit großer Mehrheit, mit der Option für ein neues Kunst- und Kreativzentrum.

Es liegt in der Natur von Kompromissen und ihnen folgenden Mehrheitsbeschlüssen. dass nicht alle mit allen Ergebnissen zufrieden sein können, aber mit denen, die diese nach all den Diskursen als „obrigkeitliches, Agieren“ empfinden, wird man kaum Lösungen finden können.

Bezogen auf den Standort Garnisonkirche, wäre größere Genauigkeit in der Bewertung des Bürgerbegehrens zu dem bereits baugenehmigten Vorhaben, in der Analyse des keineswegs einseitig „martialischen“ Schmuckes der Kirche oder gar in ihrer vielfältigen, reaktionäre ebenso wie fortschrittliche Aspekte umfassenden Nutzungsgeschichte erforderlich. Bleibt die Frage nach der Symbolik des Wiederaufbauvorhabens: Sie steht auf dem Boden der ehemaligen DDR immer zunächst für eine befreite öffentliche Debatten- und Entscheidungskultur und wird erfahrungsgemäß dann von dem Geist bestimmt, der heute darin wirkt. Und das ist hier vor dem Hintergrund der kritischen Aufarbeitung der Geschichte des Ortes Friedensarbeit im Geist der Nagelkreuzgemeinde von Coventry. Die geradezu abergläubische Konstruktion einer „Kontamination“ oder Furcht vor der Nachwirkung vergangener schlimmer Ereignisse an einem Ort kann heutzutage jedenfalls nur verwundern.

SASKIA HÜNEKE, STADTVERORDNETE, AUSSCHUSS FÜR STADTENTWICKLUNG, BAUEN UND VERKEHR, STADT-FORUM POTSDAM