Hört das denn nie auf? – Mitteschön zu den Entwürfen für die Speicherstadt

Wozu, so fragt man sich, sind Wettbewerbe gut, wenn letztendlich so etwas dabei rauskommt?

Die Entwürfe für die nördliche Speicherstadt stehen und wurden entgegen der ursprünglicher Absicht an einen Investor vergeben. Der Projektentwickler asenticon und Investor Reggeborgh haben in Abstimmung mit der ProPotsdam als Grundstücksverkäuferin sowie der Landeshauptstadt Potsdam  fünf Büros: ● Giorgio Gullotta Architekten, Hamburg ● Hascher Jehle Architektur, Berlin ● Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht, Berlin und München ● Müller Reimann Architekten, Berlin ● Wolff Architekten Berlin mit einem nichtöffentlichen Gutachterverfahren beauftragt.

 

 

Für die sieben Baufelder haben 5 Architekturbüros Entwürfe erstellt, womit eine vielfältige Gestaltung des neuen Viertels abgesichert werden sollte. Für das repräsentativ an der Ecke Leipziger Straße/Lange Brücke geplante Hotelgebäude wurde sogar die Durchführung eines Fassadenwettbewerbs vereinbart. Dadurch wollte man der besonderen Lage dieses Grundstücks gerecht werden.

Ein Entscheidungsgremium hat unter der Leitung der Architektin Prof. Hilde León, Professorin am Institut für Entwerfen und Gebäudelehre der Gottfried Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover und Mitglied der Akademie der Künste Berlin, die Ideen beurteilt. Darüber hinaus war das Gremium mit Vertretern der Stadt Potsdam, der Pro Potsdam und der Projektentwickler besetzt und wurde von Experten fachlich begleitet. Inklusive der Mitglieder des SVV-Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr wurde in der abschließenden Entscheidungsrunde das Architektenbüro Wolff aus Berlin als Sieger für das Hotel ausgewählt. Man jubelte, dass die neue Hotel Fassade gegenüber dem Bahnhof „…einen tollen neuen Akzent an diesem städtebauliche wichtigen Punkt   in der Stadt setzt“

Städtebaulicher wichtiger Punkt? Ja! Toller Akzent ? Nein!

Mitteschön ist nicht begeistert, Mitteschön ist entsetzt! Solch großer kostenintensiver Einsatz und solch dürftiges, nein schlechtes Ergebnis!

Der Entwurf für das Hotel ist belanglos, beliebig und so gar nicht Potsdam würdig. Man wird so in Zukunft aus dem Bahnhof treten und der Blick fällt auf zwei uninteressante durch eintönige Gestaltung auffallende Gebäude. Einmal auf das gruselige Bad und daneben dann nicht minder einfallslos das Hotel, das da entstehen soll.

Ja, das muss man den Architektenbüro Wolff aus Berlin  lassen: Ihr Entwurf passt gut zum Badneubau, bei dem man sich schon fragte, wie kann man solche Architektur als Entre für die Stadt zulassen? Damit wird das Bahnhofsumfeld nun endgültig zum no go Area!

Auch die angepriesene Piazza ist nicht einladend, da der Blick auf die bekannten endlosen Rasterfenster fällt. Keine Fassadengestaltung, die Kleinteiligkeit erzeugt – keine Plastizität und abwechselnde Rhythmen, die einen öffentlichen Raum abwechslungsreich machen -, vorrangige Diktatur des rechten Winkels. Das erzeugt keine Aufenthaltsqualität!

 

Schon beim Bad kam von Mitteschön starke Kritik. Es wurde gebaut und die Potsdamer merkten erst hinterher was für einen Klotz man uns da an den Fuß des Brauhausberges gesetzt hatte.

Wir kennen keinen, der im Nachhinein diese Betonmasse als schön empfindet.

Bei dem langen und intensiven Diskurs, der in dieser Stadt über qualitätsvolles Bauen stattfand, ein Diskurs, der von den Professoren der Fachhochschule, von Mitteschön und anderen öffentlichen Gremien geführt wurde, scheint es , dass davon hier nichts zur Kenntnis genommen worden ist.

Man baut, wie immer eine Moderne, die nicht mehr modern ist!

Wie laut muss man denn noch rufen, damit man aufwacht? Stadtverordnete tut was!

 

Saskia Hüneke zu Arnold Bartetzky „Deutschlands fragwürdigstes Rekonstruktionsprojekt“ (F.A.Z. vom. 25. November)

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Symbolik des Wiederaufbaus

Zu Arnold Bartetzky „Deutschlands fragwürdigstes Rekonstruktionsprojekt“ (F.A.Z. vom. 25. November): Die durch Bartetzky vorgenommene Gleichsetzung diktatorisch verfügter Abrisse der DDR Zeit mit den demokratisch untersetzten Beschlüssen zum Stadtumbau in der Potsdamer Mitte ist für mich, die ich in der DDR aufgewachsen und jetzt an diesen Beschlüssen beteiligt bin, unerträglich.

Doch ja, das Fehlen der Garnisonkirche ist für viele Menschen schmerzhaft, und, ebenfalls ja, viele empfinden die DDR Bauten, die wegen ihrer städtebaulichen Mängel urbaneren Stadtstrukturen weichen sollen, als wertvoll. Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg: einen differenzierten öffentlichen Diskurs und darauf fußende demokratische Mehrheitsentscheidungen. Genau dies hat in Potsdam von 1990 bis heute stattgefunden, und ich beklage ausdrücklich die Ignoranz altbundesdeutscher Autoren gegen über diesen Prozessen in einer hochengagierten Bürgerschaft.

Der Stadtumbau betrifft nur den Kern der Potsdamer Mitte. Zahllose Bauwerke der DDR-Zeit wurden seit 1990 in Potsdam hervorragend saniert. Es kann keine Rede davon sein, diese Zeitschicht würde mit „brachialen Mitteln“ und einer „Tabula-rasa-Haltung“ beseitigt. Die Fragen nach der Berechtigung von Rekonstruktionen oder des Denkmalwertes der DDR Bauten wurden ebenso erörtert wie die Frage, ob der Erhalt der FH oder die Errichtung von 600 Wohnungen in Bahnhofsnähe nachhaltiger ist. Die neuen Baufelder anstelle des FH-Gebäudes werden einzelne historisierende, viele neue Bauten und einen ausdrücklich sozialverträglichen Wohnungsmix erhalten. Die Fachhochschule ist nach Planung des Landes Brandenburg längst in einen hervorragen den Campus in maximal 15 Fahrradminuten Entfernung umgezogen. Eine Fülle öffentlicher Kultureinrichtungen belebt die Mitte. Die Zwischennutzung des Rechenzentrums ist der freundlichen Zustimmung der Garnisonkirchenstiftung zu verdanken, der Eigendynamik der Kunst- und Kreativszene folgt die Stadt, ebenfalls mit großer Mehrheit, mit der Option für ein neues Kunst- und Kreativzentrum.

Es liegt in der Natur von Kompromissen und ihnen folgenden Mehrheitsbeschlüssen. dass nicht alle mit allen Ergebnissen zufrieden sein können, aber mit denen, die diese nach all den Diskursen als „obrigkeitliches, Agieren“ empfinden, wird man kaum Lösungen finden können.

Bezogen auf den Standort Garnisonkirche, wäre größere Genauigkeit in der Bewertung des Bürgerbegehrens zu dem bereits baugenehmigten Vorhaben, in der Analyse des keineswegs einseitig „martialischen“ Schmuckes der Kirche oder gar in ihrer vielfältigen, reaktionäre ebenso wie fortschrittliche Aspekte umfassenden Nutzungsgeschichte erforderlich. Bleibt die Frage nach der Symbolik des Wiederaufbauvorhabens: Sie steht auf dem Boden der ehemaligen DDR immer zunächst für eine befreite öffentliche Debatten- und Entscheidungskultur und wird erfahrungsgemäß dann von dem Geist bestimmt, der heute darin wirkt. Und das ist hier vor dem Hintergrund der kritischen Aufarbeitung der Geschichte des Ortes Friedensarbeit im Geist der Nagelkreuzgemeinde von Coventry. Die geradezu abergläubische Konstruktion einer „Kontamination“ oder Furcht vor der Nachwirkung vergangener schlimmer Ereignisse an einem Ort kann heutzutage jedenfalls nur verwundern.

SASKIA HÜNEKE, STADTVERORDNETE, AUSSCHUSS FÜR STADTENTWICKLUNG, BAUEN UND VERKEHR, STADT-FORUM POTSDAM

Kommentierung der Entwürfe Los 1 – 4

Um das Ziel der Leitlinien und Ziele für die Potsdamer Mitte, nämlich „vorbildlichen Städtebau“ und „die Heilung und Ergänzung des Gesamtkunstwerks Potsdam“ zu erreichen müssen sich die Entwürfe an den Leitlinien messen lassen. Die Präambel der Leitlinien schreibt eine Beachtung der „Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale und überlieferten Gestaltungsregelungen“ vor, die das „eigenständige Wesen und die Atmosphäre dieser einstigen Residenzstadt geprägt haben“.

Da durch die Vorgabe des historischen Stadtgrund- und aufrisses und die damit verbundenen Kleinteiligkeit der Parzellierung wesentliche Vorgaben zur Wiedergewinnung der Gesamtensemblewirkung vorgegeben sind, haben wir uns auf die Fassadengestaltung der Entwürfe beschränkt. Das gilt insbesondere für die Entwürfe in zeitgenössischer Architektur außer den beiden Leitfassaden.

 

Bewertungskriterien waren dabei:

  1. Einhaltung der Ziele und Leitlinien des Leitbautenkonzeptes
  2. Einhaltung der Vorgaben und Empfehlungen aus den Grundstückspässen
  3. Einhaltung Potsdam-spezifischer Gestaltungskriterien
    1. Vielfalt der geometrischen Formen
    2. Beachtung Goldener/Silberner Schnitt
    3. Fensterreihung- und –rhythmus
      (Ungerade Reihung 3/5/7)
    4. Plastizität, Detail und Ornamentik in
      moderner Formsprache

 

Siehe auch unser Video zu den Potsdam-spezifischen Gestaltungsregeln: Potsdam eine Stadt zum Verlieben.

 

Auf dieser Grundlage haben wir die Entwürfe für die einzelnen Lose bewertet und in drei Kategorien eingeteilt:

  1. Empfehlung: Entwürfe, die der Überarbeitung bedürfen.
  2. Ablehnung: Entwürfe, die die Vorgaben aus den Leitbautenkonzept nicht erfüllen oder Potsdam-spezifische Gestaltungsmerkmale gänzlich vermissen lassen und die unserer Einschätzung nach durch Überarbeitung nicht zu heilen sind.
  3. Offen: Entwürfe, die eventuell durch deutliche Überarbeitung verändert werden könnten, aber bei denen wir nicht wissen können, ob das überhaupt möglich ist.

Die Nutzungen konnten nicht beurteilt werden, da diese nur abstrakt beschrieben waren.

Unsere Devise:

Gesucht ist die individuelle Lösung für einen individuellen

Bauplatz unter Beachtung der Gesamtensemblewirkung.

 

Los 1: Achteckenhaus (Schwertfegerstraße 10) und Friedrich-Ebert-Straße 1/2.

Die Entwürfe 1A und 1B nähern sich bzgl. des Achteckenhauses beide dem historischen Gontards sehr, wobei sich der Entwurf 1A dem historischen Original am meisten annähert. Im Entwurf 1B sind leider die Rundbogenfenster in der Belle Etage entfallen. Hier wäre nach den die „Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale und überlieferten Gestaltungsregeln“[1] eine Betonung des 1. Obergeschosses notwendig (Rundbögen, Verdachungen). Im Entwurf 1B fehlt leider der Bauschmuck völlig. Mehr Plastizität (L 1.3.10) bleibt hier auch zu wünschen. Unklar bleibt, warum die Entwürfe 1B und 1C 4 statt 3 Fenster an der Friedrich-Ebert-Straße aufweisen. Gerade der ungerade Fensterachsenrhythmus (3/5/7, Hier Achteckenhaus 3, Friedrich-Bert-Straße ½ 9, Plögerscher Gasthof 7) ist wichtig für die Vielfalt in der Straßenzeile und Gesamtensemblewirkung.

Der Entwurf 1C importiert eine eher süddeutsche Ästhetik, die in der Potsdamer Altstadt keinen Anschluss findet.

Bei 1A und 1B leben die Entwürfe für die Friedrich-Ebert-Straße 1/2 vom Kontrast zu ihren Nachbarn (Plögerscher Gasthof südwärts, Achtecken nordwärts). Eine weitere Detaillierung (Überarbeitung Gesimse, Fensterverdachungen, Bauschmuck) käme unmittelbar der Qualität des „Füllbaus“ an der FES zugute.

Der Entwurf für die Friedrich-Ebert-Straße des Bieters 1A ist reine Schlitz-Rasterfassade und auch durch Überarbeitung nicht leitlinienkonform zu überarbeiten. Er weist eine Potsdam-untypische gerade Zahl an Fensterachsen auf und wirkt viel zu Monoton. Das Erdgeschoß ist zwar überhöht, erscheint aber durch seine Teilungen für Gewerbe ungeeignet. Eine nach den Leitlinien in L.1.1. geforderte Kommunikation des Entwurfes mit der benachbarten Leitfassade ist nicht erkennbar.

Der Vorschlag des Bieters für die Friedrich-Ebert-Straße mit der Nummer 1B ist konsequent modern, gut proportioniert und erinnert etwas an Gehrys Bankgebäude am Pariser Platz. Bei diesem Entwurf wäre es dringend notwendig sich rechtzeitig und verbindlich über die Fassadenmaterialien zu verständigen. Diese müssten gediegen, aber nicht protzig sein. Zu überdenken ist der Schattenwurf am Übergang zu den Nachbargebäuden.

 

Bei 1C ist die Auflösung der Parzelle Friedrich-Ebert-Straße 1/2 in zwei Parzellen zwar im Prinzip löblich, in diesem Entwurf jedoch ungelenk und willkürlich gelöst. Wie ein solcher Entwurf mit den in den Leitlinien geforderten naturroten Dachziegeln gelöst werden soll (L1.3.8.) bleibt unklar.

Grundsätzlich ist Mitteschön mit der reaktionslosen Aufweitung der einstmals doppelsymmetrischen Kreuzung nach der Referenz der „Quattro canti“ in Palermo nicht glücklich. Es entsteht nun eine ovale Kreuzung, die mangels städtebaulicher Fassung nie ein Platz werden kann. Umso wichtiger wäre es deshalb, die vier Eckbauten durch ihre einheitliche Architektur zusammenzuhalten, sonst sucht der Besucher den Sinn der Gestaltung vergebens.

 

Empfehlung: 1B mit Überarbeitungswünschen, da hier die Friedrich-Ebert-Straße 1/2 besser gelöst ist.

Ablehnung:    1C und 1A (wegen des Vorschlags zur Friedrich-Ebert-Straße)

Los 1A, Bieter 21066
Ablehnung
Los 1B, Bieter 21067
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 1C, Bieter 21068
Ablehnung

Los 2 (Fuge, Schwertfegerstraße 11)

Die Idee der Verwendung von Sternpaneelen des ehem. Instituts für Lehrerbildung (IfL)/Fachhochschule bei einem Neubau lag auf der Hand. Auch die Parzelle bietet sich für eine solche Geste an, da das historische Grundstück durch die Verschiebung der heutigen Friedrich-Ebert-Straße nicht mehr zur Verfügung stand. Jedoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Verwendung an vielen Stellen den Ausschreibungsrichtlinien widerspricht.

Der Entwurf 2A kommt im Erdgeschoß nicht zu Boden und schlägt eine 70er-Jahre-Lösung vor. In dieser Nordfassade an der Wendeschleife einer Tiefgaragenzufahrt den Eingang tief hineinzuziehen, erscheint unglücklich. Die Erdgeschosssituation ist in Entwurf 2B besser gelöst. Bei beiden Nutzungsarten ist die Schaufensterfront passender. Die Dachlösungen sind allerdings in beiden Entwürfen noch zu überdenken. Während 2A eine Brandwand des Achteckenhauses inszeniert (die es allerdings historisch gab), zieht 2B das Sternpaneel willkürlich in die Schräge des Daches. Der Übergang der Traufe erscheint unpassend und gewollt.

Der Reiz des Paneels jedoch besteht nur zum Teil in seinem lokalen, nostalgischen Bezug zum Gebäude der ehem. FH Potsdam. Die Ornamentik hat ihren Ursprung in der pyramidenartigen Bossierung der Renaissancebauten Oberitaliens (u.a. Palazzo die Diamanti, Bauzeit 1492-1567, Ferrara, Architekt: Rosetti, unterstes Bild) und lebt – auch in der modernen Tradierung als Sonnenschutz-Paneel vor Kaufhäusern oder Gewerbebauten – von der Schattenbildung (das war bei der Verwendung in der FH kaum zu sehen, da die Teile zurückversetzt eingebaut waren). Das kommt durch die Verwendung als Dach nicht zur Geltung – eine als Dach notwenige Hinterglasung macht die Idee zusätzlich unpraktisch.

Diese architektonische Qualität kommt nur zum Tragen, wenn die Paneele nur in einer Ebene eingebaut werden. Es wäre wünschenswert sich für beide Entwürfe alternative Dachlösungen, bevor entschieden wird.

Der ortsbeliebige Glasbau 2C wird ablehnt. Der Entwurf paraphrasiert den Gewerbebau von Grüntuch/Ernst am Berliner Hackeschen Markt und ist damit ein dezidiert großstädtischer Bau, der zudem in der untergeordneten Schwertfegerstraße außer einem bewussten Anderssein keine Qualität entfaltet. Eine Korrespondenz/Dialog mit den Leitfassaden (L 1.1.) ist nicht erkennbar.

Sollte sich die Jury für das Sternpaneel entscheiden ist eine Informationstafel zwingend notwendig, da sich dem Potsdam Besucher der Sinn sonst nicht erklärt.

Empfehlung:  2A oder 2B mit Überarbeitung   Ablehnung:   2C

 

Los 2A, Bieter 21069
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 2B, Bieter 21070
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 2C, Bieter 21072
Ablehnung

3. Los (Schwertfegerstraße 12)

Der Entwurf 3A schließt nahtlos an die Fassade Brauerstraße 1 an. Bis auf die völlig überflüssige große Hausnummer ist der Entwurf zurückgenommen-abstrakt und damit zwischen den markanten Eckbauten akzeptabel. Gerade in der Schwertfegerstraße, wo eine größere Varianz der Entwürfe zu erwarten war, sollte auf eine gewisse Ruhe in der Fassadenabwicklung geachtet werden, damit der Besuch der neuen Straße nicht zur ästhetischen Achterbahn wird. Allerdings fehlt dem Entwurf eine Zonierung und Hierarchisierung der Geschosse.

Ähnlich ist 3B, hier täte ggf. ein Gurtgesims dem Haus gut. Die Fassade sollte nochmals mit Werbung über dem Erdgeschoss dargestellt werden.

 

3C fällt mit seinem Klinkeranteil bewusst aus der Reihe. Das Material ist in Potsdam eher in gründerzeitlichen Quartieren üblich. Am Alten Markt wirkt der Entwurf daher fremd. Auch die Verkleidung der Fassade mit Platten (Beton oder Naturstein?) wirkt eher berlinisch denn potsdamerisch.

In der Zonierung ist die Belle Etage nach oben gerutscht, hierdurch fällt der Bau in der Reihe auf. Das Erdgeschoss ist gut gelöst. Insgesamt gehört der Bau aber eher nach Babelsberg.

 

3D ist eine völlige Abstraktion in der Ästhetik der 1990er Jahre, wie sie Potsdam auch in dieser Seitenstraße nicht verdient hat. Selbst bei Ausführung in besten Materialen wird dieser Bau in jeder Hinsicht schlecht altern und – wie schön ähnliche Bauten z.B. in der Jägerstraße – ein ständiges Ärgernis bleiben. Im fehlt Hierarchisierung, Plastizität – eigentlich alles, was die Leitlinien zur Grundstücksvergabe vorschreiben.

 

3E hat eher den Charakter einer Hoffassade und ist ein für die Potsdamer Altstadt völlig untypischer skelettierter Bau. Die hierarchisierten Obergeschosse wirken seriell und beliebig fortführbar. Die Nord-Loggien erscheinen auch mit dem Grundriss zusammen sinnlos. Die eigentlich gute Erdgeschoßzone kann genannten die Mängel jedoch nicht wettmachen.

 

Empfehlung:  3B mit Überarbeitungen   Ablehnung:   3D,  Offen: 3A, 3C und 3E

 

Los 3A, Bieter 21073
offen
Los 3B, Bieter 21074
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 3C, Bieter 21075
offen
Los 3D, Bieter 21076
Ablehnung
Los 3E, Bieter 21077
offen

Los 4 (Schwertfegerstraße 13)

Vorzugsvariante ist klar der klassizistische Entwurf 4A mit seiner klaren Gliederung. In der Überarbeitung sollte über etwas mehr Plastizität, vor allem des Traufgesimses, nachgedacht werden. Hier nochmals auf die Leitlinien L 1.3.10. verweisen. Über dem Eingang würde sich eine baukünstlerische Äußerung, z.B. als Relief oder Plastik, gut machen.

Der Klinkerentwurf 4B gehört deutlich in eine gründerzeitliche Nachbarschaft und wirkt in der Schwertfegerstraße ortsfremd. In Putz wäre er allerdings ein gutes Haus, der auch in der Schwertfegerstraße zu realisieren wäre.

4C ist eine durch Verklinkerung verkappte Schlitz-Rasterfassade, die genauso wenig nach Potsdam passt wie der Entwurf 4E, über den das Urteil der Arbeit 3D zu wiederholen wäre. Modisch, zeitgeistig und mutmaßlich mit einer ästhetischen Halbwertzeit von weniger als 5 Jahren. Der Qualitätsanspruch der Leitlinie Z 1.2. ist nicht erkennbar. Der Entwurf ist darauf angelegt, das Gesamtkunstwerk zu zerstören, nicht es fortzuführen.

Die Arbeit 4D wirkt gewollt und unentschlossen in dem Versuch Elemente der durchaus Potsdam typischen Neogotik einzufügen. Dadurch fehlt dem Entwurf die Kraft sich in der Straße zu behaupten. Ggf. könnte hier eine Überarbeitung zu einem klareren Entwurf kommen.

Empfehlung: 4A und 4D mit Überarbeitungen  Ablehnung:   4C und 4E

Offen:  4B

 

Los 4A, Bieter 21078
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 4B, Bieter 21079
offen
Los 4C, Bieter 21080
Ablehnung
Los 4D, Bieter 21081
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 4E Bieter 21082
Ablehnung

Kommentierung der Entwürfe Los 5 – 9

Los 5 (Hellmund-Giesebarthsches Haus; Architekt Boumann) Alter Markt 13/14; Schwertfegerstraße 14, Alter Markt 15

Ein Entwurf für das 1797 nach dem Brand der Nikolaikirche 1795 neugebaute Eckhaus (Erstbewohner: W. Hellmund (Koch) und H. Giesebarth (Schumacher)) war erwarteter Weise schwierig zu erstellen. Dies lag auch an den vieldeutigen und unklaren Formulierungen des Gebäudepasses.

 

Alle 4 Entwürfe richten sich nach der Struktur des Baus nach Wiederaufbau, also einem dreigeschossigen Barockhaus mit Mittenbetonung, dass um ein weiteres, überhöhtes Geschoss aufgestockt wurde. Diese Wiederholung führt zwar zu mehr Geschichte in der Fassade (die Denkmalpflege würde das oberste Geschoß konsequenter Weise grau streichen lassen, um die Aufstockung kenntlich zu machen) andererseits zu einer Unausgewogenheit der Komposition (das Auge erwartet die Mezzaninfenster im obersten Geschoß).

Angesichts der außergewöhnlichen stadtgeschichtlichen Bedeutung des Baus in Folge des Brandes der Nikolaikirche begrüßt Mitteschön jedoch die Wiederholung des eigentlich Abweichenden.

 

Zum Verständnis ist das Putten Relief des Eingangs genauso unverzichtbar wie die Figurengruppe der Abundantia, die über der brandgeschädigten Stadt ihr Füllhorn ausgießt. Dies ist wohl am besten im Entwurf 5D geschehen; die Sonnenreliefs in den Rundbogenfenstern des Erdgeschosses sollten ergänzt werden. Die Gesimse sind wohl in allen Renderings unglücklich dargestellt.

Für den Eckbau ist 5D die Vorzugsvariante, 5B könnte jedoch mit wenigen Ergänzungen/Überarbeitungen gleichziehen.

Angesichts der Entwürfe für die Schwertfegerstraße 14 (historische Fassade unten) und den Alter Markt 15 die zum gleichen Los gehören, ergibt sich jedoch ein deutlicheres Bild. Bei 5d sind beide Entwürfe misslungen und auch durch Überarbeitungen kaum zu verbessern.

Entwurf 5B ist die Schwertfegerstraße mit ihren Rundbögen zwar einwandfrei modern, aber sauber und gut proportioniert. Die Bögen passen gut in die abwechslungsreiche Schwertfegerstraße. Über die Details sollte nochmals nachgedacht werden. Der Alte Markt 15 nimmt sich zurück. Leider war das Bildmaterial in der Ausstellung nur schwer zu interpretieren – kein erkennbares Rendering der wichtigen Fassade zum Alten Markt hin

 

Empfehlung: 5B mit Ergänzungen am Eckbau und Überarbeitungen am Alten Markt
Ablehnung: 5A und 5C Offen: 5D 

Los 5A, Bieter 21083
Ablehnung
Los 5B, Bieter 21084
Empfehlung mit Ergänzung
Los 5C, Bieter 21085
Ablehnung
Los 5D, Bieter 21086
offen

Los 6 (Alter Markt 16)

 
 
 
 

Unter den Entwürfen ist die eher klassizistische Arbeit 6A eine gangbare Option. In der Überarbeitung sollte überlegt werden, ob der mittlere Eingang als Betonung nicht den Rundbogen seines Vorgängers übernehmen könnte.

Der Entwurf 6D macht zwar aus einem wohlproportionierten 5-achsigen Bau einen langgestreckten 7-Achser – das kann aber auch nur die Perspektive sein. Für den Bauplatz nahe der Nikolaikirche kann dieser Entwurf wie 6A eine gute Lösung sein. Warum an der Nikolaikirche eine große Einfahrt sein muss scheint unklar.

Leider sind die Nutzungen der Entwürfe in der Ausstellung abstrahiert. Gastronomie wäre hier eindeutig zu bevorzugen, eine große Durchfahrt wie im Entwurf 6D ist eher unpassend.

Die Kaufhausarchitekturen 6B und 6E werden abgelehnt: ortsfremd und ohne eigene Qualität.

6C ist zwar traditionell und nimmt den historischen Bau auf, die Pilaster erscheinen – gerade neben dem Knobelsdorff an der Ecke – viel zu wuchtig. Zudem weisen sie ins Nichts, hier fehlten konsequenter Weise Attikafiguren oder -Vasen. Dies jedoch würde dem Bau in der Reihe eine zu große Bedeutung zukommen lassen und zu stark in Konkurrenz zum Knobelsdorff stehen. Vielleicht überzeugt eine Überarbeitung der Dach Zone.

Ganz unten: historische Abbildung.

Empfehlung: 6A und 6C, jeweils mit Überarbeitungen Ablehnung: 6B und 6D und 6E

Los 6A, Bieter 21088
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 6B, Bieter 21089
Ablehnung
Los 6C, Bieter 21090
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 6D, 21091
Ablehnung
Los 6E, Bieter 21092
Ablehnung

Los 7 (Klingnersches Haus Alter Markt 17 (Architekt: Knobelsdorff) und Schloßstraße 1-3

Die Leitfassade des Klingnerschen Hauses scheint bei allen Entwürfen gelungen und durch die qualitätssichernde Begleitung der Denkmalpflege gesichert.

 

Die drei Entwürfe für den Bau Schloßstraße 1-3 sind allesamt unbefriedigend. Der noch am ehesten akzeptable Entwurf 7B ist für die Parzelle zu wuchtig und macht dem Stadtschloß Konkurrenz. Außerdem passen die Balkone nicht.

Der Auslober hatte sich vorbehalten einem Bieter einen weiteren Wettbewerb für den Bau Schloßstraße 1-3 aufzuerlegen. Davon sollte Gebrauch gemacht werden.

 

Sollte es nicht gelingen, für die übergroße Parzelle einen passenden Entwurf zu finden, sollten die Parzellen 1-3 wieder aufgeteilt und auf einen Großbau verzichtet werden. Das täte der Fassadenabwicklung der Schloßstraße zwischen den Dominanten des Plögerschen Gasthofes (Kommandantur) und dem Klingnerschen Haus (Alter Markt 17) ggf. gut.

Besonders ist darauf zu achten, dass die Parzelle Schloßstraße 2 wieder einen betonenden Giebel erhält, der beim Durchschreiten der Ringerkolonnaden von Süden nach Norden (die nach Wunsch der Stadt wieder an das Schloss angeschlossen werden soll) eine inszenierte Sicht darstellte.

Empfehlung: 7B, die Stadt sollte sich auf ihr Recht berufen und für die Parzelle Schloßstraße 1-3 einen Einzelwettbewerb fordern und/oder die Parzellen 1-3 wieder aufzuteilen.
Ablehnung: Entwürfe Schloßstraße 1-3 7A und 7C 

Los 7A, Bieter 21093
Ablehnung Schlossstrasse 1-3
Los 7B, Bieter 21094
Empfehlung
Los 7C, Bieter 21095 Ablehnung Schlossstrasse 1-3

Los 8 (Gleisbergersches Haus, Schloßstraße 4)

 

8A mit seiner aufgemalten und asymmetrischen Fassade ist wohl eher als humoristischer Beitrag zur Diskussion zu betrachten – über die Fassade kann man schon nach zweimaligem Hinsehen nicht mehr lächeln.

8B und 8C sind je eine klassizistische und eine moderne Lösung für die Parzelle, die jedoch die Qualitäten des Vorgängerbaus mit seinen repräsentativen Rundbögen vernachlässigt.

8D ist ein unentschlossener Entwurf, der in seinem Material (geschlämmter Ziegel?) unpassend erscheint. Die nach ober anschwellenden Pseudo-Pilaster sind manieristisch und ohne Bezug. Die bodentiefen Fenster am Steubenplatz werden durch die Wohnnutzung in der Regel vollständig verhängt, so dass die Sicht gestört wird. Die Geschosse trotz der Gastronomienutzung im Erdgeschoß nicht hierarchisiert – hier gehört ein überhöhtes Erdgeschoß in die Reihe.

 
 

Der Entwurf 8E mit seinen Schraffuren bleibt in der Materialität unklar, die Proportionen jedoch sind sauber. Statt der bodentiefen Fenster des 1. Obergeschosses würden Brüstungsfenster die Fassade beruhigen. In Putz denkbar.

Empfehlung: 8B oder 8E, jeweils mit Überarbeitungen Ablehnung: 8A Offen: 8C und 8D 

Los 8A, Bieter 21097
Ablehnung
Los 8B, Bieter 21098
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 8C, Bieter 21099
offen
Los 8D, Bieter 21100
offen
Los 8E, Bieter 21101
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 9 (Plögerscher Gasthof bzw. Kommandantur, Fuge und Schumannsches Haus, Schloßstraße 5)

 

Für den Plögerschen Gasthof als Leitfassade garantiert die qualitätssichernde Begleitung durch die Denkmalpflege ein gutes Ergebnis. Die Originalattikafiguren von Benkert sollten wieder auf das Dach, der herrliche Legionär Heymüllers für die Ecke nachgeschöpft werden.

Die Fuge scheint mit Glas bei allen Entwürfen passabel, solange sie nicht hinterleuchtet wird. Nur der Entwurf 9D schließt die Fuge allerdings überzeugend.

Das Schumannsche Haus (Schloßstraße 5) ist fast überall unbefriedigend. 9A entwirft eine einfache Bauklötzchen Struktur in der Referenz des Stella-Entwurfes für die Ostfassade des Berliner Schlosses.

9B versucht halbherzig, die Idee der pyramidenförmigen Bossierung der Medici-Bauten der Renaissance als Rückbezug der Sternpaneele der ehem. FH unterzubringen. Vielleicht ist es auch nur eine Adaption des Entwurfes von Goergens + Miklautz für das Bücherkaufhaus am Münchner Marienplatz. In jedem Fall ist das Ornament in der Attika falsch platziert und durch seinen Einsatzort vom Passanten kaum zu bemerken. Die Verwendung von zwei blechverkleideten Stützen, die sich in den Obergeschossen als anschwellende Pseudo-Pilastern fortsetzen, gehört ebenfalls nicht ins 21. Jahrhundert.

 
 

9C versucht sich mit gleichem Misserfolg am selben Thema und verwendet im Erdgeschoß zwei gründerzeitliche Gusseisen Säulen, die den darüber errichteten Bau in der Luft hängen lassen. Die Absturzsicherung aus Sternpaneelen (?) sind entweder Ironie oder lassen den Respekt gegenüber dem Motiv vermissen.

9D schlägt ein konsequent modernes Haus vor, das auch sauber proportioniert ist. Die Leuchten an der Traufe scheinen nicht zweckmäßig. Hier müsste auf Materialität (Putz?) geachtet werden.

Empfehlung: 9D mit Überarbeitungen Ablehnung: 9A, 9B und 9C 

Los 9A, Bieter 21102
Ablehnung
Los 9B, Bieter 21103
Ablehnung
Los 9C, Bieter 21104
Ablehnung
Los 9D, Bieter 21105
Empfehlung mit Überarbeitung

Fazit

Unsere Bewertungen für die Fassadengestaltung ergab für jedes Los mindesten einen Entwurf, der akzeptiert werden kann, wenn er auch der Überarbeitung bedarf.

 

Leider überwiegen bei 17 von insgesamt 37 eingereichten Entwürfen die Ablehnungen, weil sie den Respekt vor den Leitfassaden und eine Beachtung der Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale schmerzlich vermissen lassen.

Von großer Wichtigkeit scheint uns auch das Augenmerk auf die Gesamtensemblewirkung zu legen. Eine Hierarchie bzw. Gliederung des gesamten Fassadenablaufes als gestalterische Einheit ist teilweise nicht erkennbar. Könnte aber durch Überarbeitung geheilt werden.

Schade ist auch, dass die Dächer fast durchgängig mit Dachflächenfenstern oder Loggien perforiert werden. Mitunter hätte der Mut zu einer oder mehreren Gauben die Entwürfe harmonischer gestaltet.

Insgesamt fehlt auch der Mut zu mehr an Plastizität und Ornamentik in moderner Formsprache in den Fassaden.

Die Nutzungen konnten nicht beurteilt werden, da diese nur abstrakt beschrieben waren. Bei einigen Entwürfen erkennt man Gastronomie, bei vielen ist jedoch keine Erdgeschoßnutzung erkennbar.

Insgesamt dennoch ein erfreuliches Ergebnis des Wettbewerbes für Gestaltung in zeitgenössischer Architektur, dass die Chance offenlässt, die Einzigartigkeit des Gesamtkunstwerkes Potsdam in seiner Mitte wiederherzustellen.

 

Die Verantwortung liegt jetzt in den Händen der Auswahlkommission.