Plantage: Sportplatz oder Stadtoase

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Entwurf Plantage Hutter & Reimann

Stellungnahme von Mitteschön zum Siegerentwurf für die Plantage

Der Siegerentwurf für die Plantage findet bei Mitteschön keine Begeisterung, denn er entspricht mehr einer Sportanlage, denn einem bedeutenden innerstädtischen Platz!

Dieser war immer geprägt durch die kürzeste fußläufige Verbindung: Bahnhof, Stadtschloß, quer über die Plantage, Brandenburger Straße hin nach Sanssouci. Der typische Weg, den früher die Touristen , aber auch die Potsdamer nutzten, wenn sie in die Stadt wollten.

Gleichzeitig bot diese Grünanlage einen Ruhepol für alle Bevölkerungsschichten, ja er war auch im verträglichen Maße Kinderspielplatz. Auch war dieser Ort ein Platz, der die freie Sicht, also eine ganzheitliche Ansicht der Kirche ermöglichte.
Er setzte dieses wichtige städtische Monument sozusagen in Szene – städtebaulich ein ganz wichtiges Moment!

Garnisonkirche, Stadtkanal und Plantage bildete ein Ensemble, das genau auf sich abgestimmt war. Das alles findet im Siegerentwurf keinen Niederschlag. Die Gartenarchitekten tragen jedoch in diesem Fall keine Schuld. Sie haben ihre Entwürfe den Vorgaben gemäß entwickelt.

Man versuchte hier wieder einmal, es allen Recht zu machen und packte Dinge zusammen, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Alle Entwürfe „verstecken“ die Schulsporteinrichtungen (100 Meter-Lauf, Fußballplatz, Weitsprungbahnen, Tischtennisplatten, Trampolinstrecken 3 Flutlichtmasten etc.) durch das Einfärben der Einrichtungen in grün. Diese „Camouflage“ führt dazu, dass die Dinge optisch verschwinden. Tatsächlich ist dies jedoch nicht möglich, da z.B. die grüne Laufbahn sehr wohl als solche erkennbar ist, ganz anders altert und aus Kostengründen stets in Standardfarben ausgeführt wird. Auch ist der grüne Fußballplatz (mit Toren, Strafraum, Elfmeterpunkt) Illusion. Nur fällt das erst NACH der Realisierung auf. Da Fördermittel in der Regel eine Bindungsfrist, d.h. ein Veränderungsverbot von 15 Jahren inkludieren (was im Prinzip sinnvoll ist), bleibt nach der Fertigstellung keine Möglichkeit noch korrigierend einzugreifen.

Man ist hier den verständlichen Wünschen der Schule 8 und den Kindern mit ihren Eltern nachgekommen und hat alle Prinzipien sinnvoller Stadtenwicklung einer partiellen Bedarfslage untergeordnet. Sicherlich, der Schulsport und die Kinder sind uns wichtig, aber hier muss eine andere Lösung her.

Und bei allem Verständnis für die Lage der Schule, ein Teil des Lustgartens ist und wäre hier besser geeignet für den Sportunterricht. Hier befinden sich schon Sportanlagen, die man nutzen könnte und hier wäre auch nicht die Lärmbelästigung gegeben, die sicherlich den neuen Anwohnern der Plantage nicht gefallen wird. Als Ruhepol für normale Bürger, ältere Menschen, Müttern mit ihren Kindern oder auch Touristen wird dieser Platz unseres Erachtens nicht geeignet sein.

Im Siegerentwurf ist auch der freie Blick auf die Kirche nicht berücksichtigt worden. Hier versperren Bäume die Sicht auf die Kirche.

Wir wünschen uns einen innerstädtischen Platz, der harmonisch auf seine Umgebung abgestimmt ist( auch wenn diese momentan noch im Werden ist),einen Platz, der die Garnisonkirche in ihrer Schönheit unterstreichen wird, der in das Wegesystem der Stadt eingefügt ist und der gleichzeitig Ruhe und Erholung ermöglicht –
einen Stadtplatz für alle!

Haben wir schon verlernt schön zu bauen?

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Vortrag von Jörg Hartmann Potsdam

Haben wir verlernt, schön zu bauen?
Der „Tatort“-Schauspieler Jörg Hartmann vermisst den Mut zu einer modernen, aber traditionsbewussten Baukultur. Auch in Dresden. „Ich kann nur hoffen, dass Dresden am Ende nicht überall so aussieht wie am Wiener Platz“, sagt Jörg Hartmann.

Anfang 1990 war ich das erste Mal in Dresden. Das Schloss war noch eine Ruine, genauso das Taschenbergpalais, die Frauenkirche ein Trümmerberg, um sie herum urbane Wüste. Und trotzdem: Ich hätte fast geheult, so schön fand ich die Reste der einstigen Pracht. Und ich dachte nur eins: Was für ein Potenzial hat diese Wahnsinnsstadt! Und, bitte, bitte, liebe Dresdner, dachte ich, macht nicht dieselben Fehler wie im Westen! Ruiniert euren Schatz nicht mit Null-Acht-Fuffzehn-Architektur!

Ich konnte mir Dresden damals nicht ohne Frauenkirche vorstellen, und ich wurde Mitglied im Wiederaufbauverein. Als die Kuppel Jahre später wieder stand, wollte ich keine Häuser drumherum, die auch in Dortmund, Hannover oder Castrop-Rauxel hätten stehen können. Ich wünschte mir den historischen Neumarkt. Aber warum wollte ich etwas wiederhaben, das ich nur von Bildern kannte? Warum diese Sehnsucht? Um Gottes willen, dachte ich, darf das denn sein!? Ich war doch ein junger Mensch, allem Neuen gegenüber aufgeschlossen! Oder etwa nicht?

Mir war klar, ich musste eine Therapie machen. Also ging ich durch unsere modernen Städte und schaute sie mir alle an, die lieblos hingerotzten Kisten und Container. Ich las die Gebrauchsanweisungen ihrer Erbauer, und ich dachte: Mit ihrer Hilfe wirst du die Schönheit der Bauten erkennen. Ich las die Gesänge der Feuilletonisten, die die klar reduzierte Formensprache bejubelten. Und ich dachte: Ja, gleich hab ich’s. Gleich werde ich den Würfelhusten lieben.

Ich wanderte weiter durch unsere Städte und hämmerte mir ein: Du musst versuchen, den städtebaulichen Bruch zu lieben. Du musst akzeptieren, dass unsere Städte zerstört und hässlich wieder aufgebaut wurden. Wir alle haben den Krieg zu verantworten, auch du, Jörg Hartmann! Wir alle büßen für unsere Schuld städtebaulich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.

Ich sagte mir: Glas, Beton und Stahl sind unverdächtig und frei von jeder Schuld. Wer damit baut, ist Demokrat. Basta. Putz, Stein und Satteldach sind traditionelle Scheiße – und deshalb: Hände weg davon! Ich lernte, das Flachdach zu lieben. Die nicht kaschierte, ehrliche Haustechnik auf ebenem Kies. Und ich begriff: Wir leben in einem freien Land, und jeder darf bauen, wie er will. Seit den traumatischen Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur wissen wir: Regeln sind scheiße. Warum also Regeln im Städtebau? – Nein! Stopp!

Es tut mir leid, aber ich befürchte, die Therapie hat nicht viel gebracht. Natürlich sehe ich einzelne moderne Bauten, die mich begeistern, aber ich traue der Moderne keine schönen Stadträume zu. Und doch wünsche ich mir nichts mehr, als dass unsere Zeit es endlich schafft, schöne Stadträume zu kreieren. Wie kriegen wir das hin?

Was meinen wir eigentlich, wenn wir von der Moderne sprechen? Verstehen wir darunter die klassische Moderne, das Bauhaus? Ich habe den Eindruck, dass auf den meisten Hochschulen genau das gelehrt wird: Modern ist, wenn man in der Tradition des Bauhauses baut. Und obwohl diese internationale Moderne, diese Globalisierung der Architektur, zu unseren heutigen städtebaulichen Problemen führte, zu Austauschbarkeit und Monotonie, scheinen immer noch Architekturprofessoren zu dominieren, die ihren Studenten einimpfen, dass der rechte Winkel das Maß aller Dinge ist. Dem Bauhaus wurde ein Heiligenschein aufgesetzt. Warum? Weil es unbestreitbare Qualitäten zu bieten hat, keine Frage. Doch vor allem ist es ein ideologisch sicheres Pflaster, weil die Künstler des Bauhauses nämlich von den Nazis bekämpft wurden. Ich glaube, hätten die Nazis alle Gründerzeithäuslebauer zum Teufel gejagt, würden heutige Architekten wohl ganz viel Freude daran haben, Schnörkel und Stuck an ihre Fassaden zu kleben.

Warum haben so viele Architekten heute solch eine Angst vor vernünftigen Dächern? Wohin ich auch schaue, fast überall entstehen zurzeit nur Würfel mit Flachdächern. Oben wie abgeschnitten. Ohne Abschluss. Oder mit Staffelgeschoss. Für mich gehört eine abwechslungsreiche und schöne Dachlandschaft einfach dazu, wenn wir im Herzen einer traditionellen europäischen Stadt bauen. Und das Herz Dresdens ist nicht nur der Neumarkt, es geht weit darüber hinaus. Doch schon in der inneren Neustadt (Hauptstraße, Ecke Heinrichstraße z.B.) plötzlich die Orientierung an der Platte und nicht am gewachsenen noch intakten alten Umfeld.

Liebe Architektinnen und Architekten, trauen Sie sich! Bauen Sie ruhig mal ’n Satteldach, wenn’s angebracht ist! Sie sind deswegen weder spießig noch von gestern, geschweige denn ’ne rechte Socke, und es glaubt auch keiner, dass Sie sich Gartenzwerge vors Haus stellen. Bitte helfen Sie mit, jegliche Form der Ideologisierung beim Bauen zu vermeiden!

Neben den Dogmen rechter Winkel und Flachdach wird in Deutschland auch immer noch der Zwang zum städtebaulichen Bruch zelebriert. Die klassische Moderne wollte den radikalen Bruch, weil sie eine bessere Welt erschaffen wollte. Das ist aus der Zeit heraus, in der sie entstand, nachzuvollziehen. Aber macht der Bruch heute noch Sinn? Erschafft er noch eine bessere Welt? Der Bruch ist mittlerweile zum Zwang geworden. Zur Attitüde. Zur eitlen Pose.

Ich glaube, viele Architekten weigern sich einfach, schön zu bauen, weil sie Angst haben, von ihren Kollegen verspottet zu werden. Denn wer’s schön haben will, so die Befürchtung, ist ein Spießer. Der mäht seinen Rasen regelmäßig und hat Geranien auf dem Balkon. Aber wer es ungemütlicher, brüchiger bevorzugt, der hat das Image des interessanten und kritischen Zeitgenossen. Auch wenn er natürlich selbst die schöne Gründerzeitwohnung mit Parkettboden bewohnt.

Die größte und wichtigste, wahrscheinlich aber auch schwierigste Aufgabe wird es sein, wieder eine ensemblefähige Architektur zu erschaffen. Am Theater nennt man Schauspieler, die eine Menge Mätzchen auf der Bühne veranstalten, Rampensäue. Rampensäue gibt es auch im Städtebau. Aber hier wie da machen Rampensäue noch keine gute Qualität aus. Um gut zu sein, muss man zusammenspielen. Ein Ensemble sein.

Wird das an den Hochschulen und Unis überhaupt ausreichend gelehrt? Lernt man genug über Maßstäbe und Harmonien? Über Stadtensembles und die traditionelle europäische Stadt? Über die Abfolge von Plätzen und Straßen? Über Komposition? Über die Kunst der selbstbewussten Anpassung? Oder werden hier lauter miteinander konkurrierende Alphatierchen herangezogen, deren Ziel es ist, mit möglichst aufsehenerregenden Bauten in die Architekturzeitschriften zu kommen?

Wir haben alle eine Verantwortung für den öffentlichen Raum und dürfen unseren Drang zur Selbstverwirklichung nicht im Städtebau ausleben. In den eigenen vier Wänden oder mit der Rückseite, der Gartenseite eines Hauses darf meinetwegen jeder machen, was er will. Das ist Privatsache. Aber die Fassade eines Hauses ist das Gesicht der Stadt, das Gesicht des öffentlichen Raumes. Da muss klar definiert sein, was geht und was nicht.

Ein entscheidender Punkt auf dem Weg zum Ensemble ist für mich das Material, die Materialität. Es bringt keine Punkte, wenn wir Ziegel, Putz, Beton, Natursteine, Glas, Metall, Kunststeine und so weiter bunt nebeneinandersetzen. Das bringt keine Abwechslung, das bringt nur Unruhe. Schauen wir, welches Material für den Ort typisch ist, und versuchen wir, uns darauf zu beschränken. Wenn wir dieses Grundmuster geschaffen haben, können wir es an vereinzelten Stellen natürlich auch wieder brechen, das ist reizvoll. Aber wenn sich Bruch an Bruch reiht, ist das Auge überfordert, und man bekommt nur Kopfschmerzen.

Was die Materialität betrifft, so haben wir in Deutschland natürlich seit geraumer Zeit mit einem zusätzlichen Problem zu tun: dem deutschen Wärmedämmwahn. Dass wir alle ökologisch sein wollen, setze ich mal voraus. Aber was passiert mal wieder in unserem schönen Land? Blinder Aktionismus, der alle Hausbesitzer zwingt, ihre Häuser mit Styropor zu verpacken. Styroporhäuser sind nicht ökologisch, sondern eine Öko-Katastrophe. Vor allem sind sie der Tod der Baukunst, der Tod unseres architektonischen Erbes und der Tod unserer Städte.

Dass sich Ökologie und eine vernünftige Materialität nicht ausschließen, zeigt zum Beispiel Herr Kimmerle mit seinem Jüdenhof-Quartier am Neumarkt. Ich hoffe, dieses Projekt wird für viele Bauherren und Investoren ein Vorbild sein. Wenn wir massiv bauen mit gutem Material, kostet es natürlich erst mal etwas mehr. Aber mit der Zeit rentiert sich Qualität. Man kann sich bei H & M für ’n Appel und ’n Ei ’n Pullover kaufen und ihn nach einem halben Jahr wegwerfen, weil er sich dann bereits in seine Bestandteile aufgelöst hat. Man kann aber auch etwas mehr investieren und sich gleich einen vernünftigen Pullover kaufen. Von dem hat man dann aber auch lange was.

Wir Menschen sind sinnliche Wesen. Und die gebaute Umwelt muss uns etwas bieten, unsere Sinne befriedigen. Aber wie sollen glatte, kühle und monotone Fassaden dies leisten? Wir brauchen sinnliche Details, an denen das Auge Halt findet. Große glatte Lochfassaden sind tot. Denn egal, wie die Sonne steht, es gibt kein sich veränderndes Licht- und Schattenspiel. Deshalb brauchen wir Struktur und Relief. Profil. Tektonik. Details. Lebendige Fassaden, Straßenräume mit Rhythmus. Für mich gibt es nur einen Weg aus der Misere: Wir müssen die lokale Bautradition modern, zeitgenössisch interpretieren und sie ins 21. Jahrhundert weiterführen, um so eine Austauschbarkeit zu vermeiden. Diese lokale Moderne, die mir vorschwebt, erschafft ortstypische Häuser, die all das bieten, was wir an den alten Bauten so schätzen, und die trotzdem – und das ist mir wichtig zu betonen – ganz und gar Kinder unserer Zeit sind.

Noch immer ist Dresden sehr perforiert, die Altstadt noch immer nicht ganz mit dem Rest der Stadt verbunden. Pirnaische Vorstadt und Lingnervorstadt, Wilsdruffer und Seevorstadt sind zum größten Teil keine Stadt, sondern nur Siedlungsbrei. Die hier anzustrebende Urbanität ist nur mit Blockstrukturen, Nachverdichtung, Nutzungsmischung und eben einem schönen ortstypischen Ensemble zu erreichen.

Vieles bleibt noch zu tun, und ich kann nur hoffen, dass Dresden am Ende nicht überall so aussieht wie am Wiener Platz. Dann hätte diese großartige Stadt ihre Chance verspielt. Die Chancen sind da, dass es nicht so kommen muss.

Jörg Hartmann, geboren 1969 in Hagen, spielt den Hauptkommissar Faber im Dortmunder „Tatort“ (wieder am 31. Januar). Viele kennen ihn auch von seiner Rolle als Stasi-Offizier Kupfer in der ARD-Serie „Weissensee“.

Beitrag Prof. Dr. Frank Bösch (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam) Ästhetik und Versöhnung: Warum die Garnisonkirche aufbauen?

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Zerstörte Gebäude wurden immer wieder aufgebaut, um historische Kontinuität zu suggerieren und Traditionen für die Zukunft zu stiften. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg gab es keinen Gebäudetyp, der so häufig aus Ruinen neu entstand wie die Kirchen. Selbst in den zerbombten Innenstädten von Köln oder Bochum ragen sie deshalb heute, fast wie durch Gottes Hand vom Krieg verschont, als scheinbar einzige Altbauten prunkvoll aus der kargen Nachkriegsarchitektur hervor. Ihr Wiederaufbau sollte eine christliche Tradition und Zukunft untermauern und die nach 1945 gestärkte Rolle der Kirchen unterstreichen. Und auch in der kirchenfeindlichen DDR wurden die zerstörten Kirchen, trotz einiger späterer spektakulärer Abrisse, seit den ersten Nachkriegsjahren vielfach mühsam wieder aufgebaut.

Im Unterschied zur Nachkriegszeit kochen bei der aktuellen Debatte um die Potsdamer Garnisonkirche die Emotionen besonders hoch, weil es hier nicht um den Wiederaufbau einer Ruine geht, sondern um einen kompletten Neubau, dessen Funktion in einer säkularisierten Gesellschaft unklar ist.

Dabei lassen sich vor allem drei Argumentationsstränge ausmachen: christliche, erinnerungskulturelle und ästhetisch-städtebauliche Argumente. Während mir die ersten beiden Argumente von geringerer Überzeugungskraft zu sein scheinen, liegt im dritten Punkt der treibende Kern der Debatte.

So bleibt die christliche Argumentation im engeren Sinne auffällig blass. Denn eigentlich ist eine Kirche in erster Linie ein religiöser Raum, der eine sakrale Funktion für die Gemeinde hat. Im Unterschied zur Zeit noch 1945 wird dies heute selbst bei den engagierten Geistlichen kaum erwähnt. Denn offensichtlich fehlt es in Brandenburg nicht an Platz in den Kirchen. Deutlicher vernehmbar ist der Anspruch, die christliche visuelle Präsenz in der Stadt auszubauen, die dieSED einst gezielt zerstört hat. Es geht um eine christliche Höhendominante, die sich an die Öffentlichkeit richtet und eine starke Stellung der Kirche untermauern möchte. Deshalb steht auch vor allem der Turm mit seinen 88 Metern im Mittelpunkt, der das Mercure-Hotel um ein Drittel überragen würde, und erst in zweiter Linie die Kirche selbst. Andere Aufbaukonzepte richteten sich hingegen weniger auf die christlichen Höhendominanten, etwa in Berlin bei der Petrikirche, deren Neubaupläne den 96 Meter hohen Turm verkleinern, und erst recht nicht bei der Kapelle der Versöhnung in der Bernauer Straße, die auf dem Fundament der 1985 gesprengten Versöhnungskirche steht.

Dabei lässt sich hier mit guten Gründen argumentieren, dass die christlichen Kirchen in den Sichtochsen in Potsdam durchaus präsent sind: Die gewaltige Nikolaikirche rahmt die Innenstadt vom Süden und vom Bahnhof her, die Katholische Propsteikirche St. Peter und Paul von Osten her und die Friedenskirche vom Westen, trotz der vielen vorgelagerten Plattenbauten.

In der Debatte wird oft der angestrebte interkonfessionelle Charakter der aufgebauten Garnisonkirche hervorgehoben, der eine Versöhnung mit anderen Glaubensgemeinschaften ermöglichen soll, etwa in einem interkonfessionellen Andachtsraum. Dies wirkt zwar wie ein großzügiges Angebot an die jüdische Gemeinde, die ihre prunkvolle Synagoge am Platz der Einheit nicht wieder in alter Pracht rekonstruiert. Es ist jedoch nicht unproblematisch, dass der jüdischen Gemeinde angeboten wird, sich in dem protestantisch und nationalistisch geprägten Ort, in dem Hitler einem bedeutenden propagandistischen Auftritt hatte, mit den Christen zu versöhnen. Hier scheint es vor allem um eine Versöhnung mit dem Erbe von Preußen zu gehen und um eine Überbauung der DDR-Geschichte; gerade dies führt jedoch nicht zu einer Versöhnung in der Stadt, sondern zur Spaltung von Alt· und Neu-Potsdamern.

Dies berührt bereits den zweiten häufig vorgetragenen Argumentationsstrang, in dem mit eher säkularen erinnerungspolitischen Gründen für und gegen den Aufbau gestritten wird. So wird oft angeführt, dass die aufgebaute Garnisonkirche eine „Schule des Gewissens” sein werde, die an den Widerstand vom 20. Juli erinnern könne oder an die Friedensproteste in der späten DDR, wie jüngst Bischof Huber unterstrich. Die Kirche könne so eine neue Tradition stiften, ober auch kritisch an die Vergangenheit erinnern.

Kritiker mahnen dagegen zumeist, dass der ,,Tag von Potsdam” 1933 gegen den Wiederaufbau spreche. Es ist sicher überzogen, allein wegen des Tags von Potsdam den Aufbau der Kirche abzulehnen. Sein Zustandekommen unterlag einem gewissen Zufall, weshalb argumentiert wird, ein prominenter Tag solle nicht 280 Jahre Geschichte überdecken.

Allerdings macht ein geweiteter Blick in die Geschichte des Ortes noch fraglicher, ob gerade diese Kirche für Versöhnung oder Widerstandsgeist stehen kann. Schließlich wurde in der Militärkirche, die im Besitz des preußischen Staats war, ebenso im Ersten Weltkrieg für den Kampf geworben wie nach der Revolution Erich Ludendorff hier 1920 gegen die Demokratie hetzte. Nach dem Tag von Potsdam war die Garnisonkirche ein Pilgerort für Anhänger des Nationalsozialismus, die etwa das ,,Lesepult des Staatsakts” berühren wollten, und Baldur von Schirach trat hier 1934 zur Bannerweihe mit der HJ auf. Dies wären alles keine Gründe, um im Stile der SED ein Gebäude abzureißen, aber eben auch keine zwingenden Gründe, um es neu zu errichten.

Unverkennbar geht es um das überbauen der DDR-Geschichte zugunsten der preußischen Tradition. Bei den Befürwortern des Aufbaus gibt es zudem eine Art Wiedergutmachungsdiskurs, der aus dem von der SEDausgehenden Unrecht gegenüber den Kirchen den Wiederaufbau fordert. Dies ähnelt der Forderung nach dem Aufbau der seit 1938 zerstörten Synagogen. Angesichts der Geschichte der Garnisonkirche vor 1945 kann sie freilich kaum eine vergleichbare Rolle als Ort der Opfer beanspruchen. Sehr plausibel ist, hier einen Ort der Erinnerung zu schaffen. Dies gelingt jedoch bereits sehr gut in der derzeitigen Ausstellung der Nagelkreuzkapelle.

Am stärksten für den Wiederaufbau der Garnisonkirche sprechen vermutlich ästhetische und städtebauliche Argumente, die auch die treibende Motivation der meisten Befürworter sind. Oft wird angeführt, dass die Garnisonkirche eine der schönsten Barockkirchen Norddeutschlands gewesen sei und so eine „ Wiedergewinnung der historischen Mitte” möglich wäre. Dass die Architektur des 18./19. Jahrhunderts mehr Ausstrahlungskraft besitzt als die Bauten der Gegenwart oder gar der DDR, ist schwer zu bestreiten, gerade bei öffentlichen und innerstädtischen Bauwerken. Durch die weit verbreitete Sehnsucht nach scheinbar authentischen Orten würde die aufgebaute Garnisonkirche sicherlich ein touristischer Magnet, ebenso wie das Stadtschloss schon jetzt. Dass, wie befürchtet wurde, Neonazis dorthin pilgern würden, erscheint wenig wahrscheinlich. Dazu bieten Berlin, Nürnberg und München genug Pilgerorte, die selten genutzt werden.

Allerdings: Geschmack ist subjektiv und ästhetische Urteile müssen jeweils ausgehandelt werden. Nicht jeder findet alte Kirchen schön, und nicht wenige Potsdamer haben auch positive Erinnerungen an das marode FH-Gebäude, das demnächst abgerissen wird. Zudem mangelt es gerade in Potsdam nicht an rekonstruierten und erhaltenen Gebäuden des 18. Jahrhunderts. Da es keine andere Verkehrsführung an der Havel gibt, wird die stadträumliche Aufwertung der Breiten Straße kaum gelingen und sie wird weiterhin autobahnartig den Lustgarten durchschneiden. Wie viele Bürger diesen Geschmack teilen und wenn ja, wieviel ihnen diese bauliche Aufwertung der Breiten Straße an Steuermitteln wert ist, darüber wird man breit abstimmen müssen. Im Moment zeigt sich jedoch eine große Angst davor, die Bürger zu befragen. Dies mag an dem erfolgreichen Bürgerbegehren mit seinen 16.000 Unterschriften liegen, aber auch an der Erfahrung aus Magdeburg, wo 76 Prozent der Wähler gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche votierten.

Angesichts der lang geführten Auseinandersetzung und der klammen Kassen, auch bei der Kirche und den Spendern, scheint dies jedoch der einzige Ausweg zu sein, um entweder den Aufbau mit Steuermitteln zu legitimieren oder aber eine kleinere Ersatzlösung im Sinne des angestrebten Erinnerungsortes zu schaffen.

Indirekt haben die Befürworter der Garnisonkirche recht: Ihr Wiederaufbau macht sie zu einem Ort, der zwar bisher nicht versöhnt, wohl aber die Demokratie beflügelt, da kaum eine Frage in Potsdam derartig breite Diskussionen und so ein großes Engagement hervorrufen.

Das ist bereits ein Erfolg von beiden Seiten.

Potsdam mit Garnisonkirche

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Das Bündnis Potsdamer Mitte wendet sich an die Potsdamer:

In letzter Zeit gab es massive Bestrebungen von DIE ANDEREund DIE LINKE in unserer Stadt, den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu stoppen. In den Berichterstattungen der Zeitungen hatte man mitunter den Eindruck, dass diese Kräfte in unserer Stadt überwiegen. Immer wieder hörte man da von Nazi- und Militärkirche und Symbol des preußischen Militarismus, Schlagworte, die es jedem Andersdenkenden manchmal schwer machten, seine Meinung offen zu sagen, ohne in die äußerste rechte Ecke gestellt zu werden.

Wir erklären, diese Kirche gehört zu Potsdam ohne Wenn und Aber. Sie war ein wesentliches Bauwerk, das über Jahrhunderte die Stadtgestalt entscheidend mitprägte.

Hier wurde Geschichte geschrieben! Der Tag von Potsdam ist nur ein Bruchteil dessen, was diese Kirche an historisch Bedeutendem zu bieten hat. Und das nicht nur für Potsdam, nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa ist sie ein geschichtsträchtiger und kulturhistorisch wertvoller Bau, der von unserer – von europäischer Geschichte zeugt.

Die Bundesregierung hat das erkannt und sie als das gesehen, was sie ist:

Ein nationales Erbe!

In jeder Stadt gibt es Bauten, die sie prägen. Fehlen sie, oder sind sie zerstört, ist es überall auf der Welt so, dass Menschen sie wieder errichten – und sie tun es aus gutem Grund. Sie tun es vor allem deswegen, weil sie für die Zukunft die Tür offen halten wollen: wie war unsere Vergangenheit? Was war gut, was haben wir falsch gemacht, was gelernt und wo sollten wir misstrauisch sein?

Bauten erzählen etwas über den Ort.
Was wäre Köln ohne Dom, Hamburg ohne Michel, Venedig ohne Campanile, Paris ohne Eifelturm?

Die Ideologisierung des Wiederaufbaues, ihn als reaktionären Akt mit militärischem Hintergrund zu sehen, wäre ein erneuter Missbrauch der Garnisonkirche.

Lassen Sie uns diese Kirche als Versöhnungsort gemeinsam wieder aufbauen. Erinnern wir uns mit diesem Bauwerk an das, was einmal war und füllen wir sie neu erbaut mit unserem Hier und Heute.