Ach schön!

Häufig ist die Reaktion auf die Information zu unserem Stiftungssitz „Wir sitzen in Potsdam“ der spontane Ausruf „Ach schön!“. Aber was ist schön an Potsdam? Das UNESCO-Welterbe der Schlösser und Gärten in der Potsdamer Seenlandschaft?

Die kleinstädtisch anmutende Innenstadt mit dem Holländischen Viertel? Schinkels Nikolaikirche oder das neue Hans Otto Theater von Gottfried Böhm? Der neue Landtag im rekonstruierten Stadtschloss oder das benachbarte Hotel Mercure? Der gepflegte Park auf der Freundschaftsinsel oder der Nachwende-Hauptbahnhof mit Shopping-Center von gmp?

Die Reaktion hat meist einen Anklang von Stoßseufzer und beinhaltet vieles: „Ach, schön und gut, in Potsdam ist die gebaute Welt noch in Ordnung. Nachvollziehbar, dass die Bundesstiftung Baukultur in diesem harmonischen Umfeld einer zweifelsfrei schönen (Altbau-)Architektur residiert.“

Werden mit schöner Architektur also zunächst Altbauten assoziiert und wenn ja, warum? Wir haben gerade eine bundesweite repräsentative Umfrage durchgeführt und erfahren, dass 36 Prozent der Bevölkerung Altbauten schöner finden als Neubauten. Nur sieben Prozent sehen es umgekehrt. Da wundert es nicht, dass 80 Prozent der Deutschen auch die Rekonstruktion historischer Gebäude befürworten.

Der am häufigsten genannte Architektenname ist Friedensreich Hundertwasser (elf Prozent), weit vor Karl Friedrich Schinkel (fünf Prozent) oder Zaha Hadid (ein Prozent). Kein Wunder also, dass die Ansage in der Bahn jedes Mal auf den Halt im (schönen) Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen hinweist, einer sicherlich fotogenen, aber funktional monströs verbauten Kiste. Auch beim neuen Holzmarktquartier in Berlin hat sich die Bauherrenschaft Hundertwasser zum Vorbild genommen und die Gebäude nach dem robusten und klugen Grundgerüst der Architekten von „Hütten und Paläste“ selbst opulent gestylt und trashig dekoriert. Der Publikumsgeschmack und die Resonanz junger Menschen zeigen mit dem Daumen nach oben.

Wege zum Ornament: Im Berliner Holzmarktquartier wird die Architektur künstlerisch dekoriert,…

Das Ornament hat bereits seit der Postmoderne wieder Konjunktur. Das Institut du Monde Arabe, das Jean Nouvel vor zwanzig Jahren in Paris gebaut hat, ist mit seiner orientalischen Ornamentik des fotolinsenmechanischen Sonnenschutzes für mich so etwas wie ein Meilenstein eines neuen, zeitlosen Dekors, das auch sinnlich wirkt. Es zitiert, gliedert und rhythmisiert Fassaden, macht sie apart, vielleicht schön.

… am Pariser Institut du Monde Arabe wird die Funktion zum Dekor.

Dennoch entsteht echte Schönheit in der Architektur nicht durch dekorative Maßnahmen, sondern durch innere Werte der Funktion, der Formfindung und des Gebrauchs sowie durch die Fähigkeit, uns emotional zu berühren. Erst wenn dieser gemeinsame Nenner der unmittelbar auf uns wirkenden Schönheit zum Tragen kommt, entsteht eine Wirkung, der sich niemand entziehen kann. Aus dieser Schönheit resultiert die dauerhafte Dimension von Architektur. Dabei geht es nicht darum, sich dem Wandel zu widersetzen und ohne Kontext zu entwerfen, sondern um eine Haltung, die den menschlichen Maßstab berücksichtigt, räumlich und sinnlich.

Als das Rendering der Elbphilharmonie zum ersten Mal veröffentlicht wurde, entstand so etwas wie ein kollektives „Wow-Gefühl“, ein Berührtsein und Unbedingt-haben-Wollen über alle Bildungsschichten hinweg. 80 Prozent der Hamburger wollten genau dieses Gebäude. Dass es nicht der Funktion folgt und später zu einer gigantischen konstruktiven und finanziellen Herausforderung wurde, wissen wir heute. Die Hamburger Architektenschaft hat in diesem Einzelfall auf die Durchführung eines Wettbewerbs verzichtet und der Beauftragung von Herzog & de Meuron zugestimmt, sicher auch, um dem atemberaubend schönen Entwurf zur Geltung zu verhelfen.

Architektur und Städtebau haben sich meiner Meinung nach zu lange mit einer kulturkritischen Schönheitsdebatte befasst und im Ergebnis „Geschmacksverirrungen“ der Bauherren beklagt. Anfang der Achtzigerjahre hat der Pädagoge und Journalist Claus Borgeest sogar eine schichtenspezifische Unterscheidung vorgenommen. Dabei ist unerheblich, ob als Klischees das Unechte, Billige oder Glitzernde unterer Sozialschichten oder das Protzige, Teure, Monströse oberer Mittelschichten zum Geschmacksmaßstab werden. Beides ist unangemessen und wirkt vermutlich auf die Betroffenen selbst wenig überzeugend. Anders kann man sich ja ein Immer-mehr-Davon nicht erklären. Borgeest hat daraus den Schluss gezogen, dass Geschmack und ästhetische Urteilskraft nicht reichen: „Das Schöne ist nur schön, wenn es von der Eigenart der Menschen beseelt wird.“ Bei diesem Zusammenspiel von gebautem Raum und Sozialraum sind wir ganz nah bei derjenigen gelungenen Baukultur, die wir als Stiftung voranbringen wollen.

Das geht aber, selbst von der Warte eines ausgebildeten Gestalters aus gesehen, nicht über Geschmacksschulungen. Sinnvoll ist eine Information über Proportionen – im Sinne von Loos auch über jene der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen –, über Harmoniegesetze, Formgebung, Materialien, Dauerhaftigkeit, Nachhaltigkeit und Baukultur. Eine Wissensvermittlung, die zu sehen hilft. Hier treffen sich die Verfechter des schönen Bauens und der Stadtbaukunst mit denen der Baukulturvermittlung. Wenn es uns dabei gelingt, dem Kriterium der emotionalen Berührtheit („Ach schön!“), ähnlich wie bei der Musik oder der bildenden Kunst, zu größerer Wirksamkeit zu verhelfen, sind wir einen großen Schritt weiter – bei der Wahrnehmung und beim Bedeutungszuwachs guter Architektur.

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, Potsdam

Hört das denn nie auf? – Mitteschön zu den Entwürfen für die Speicherstadt

Wozu, so fragt man sich, sind Wettbewerbe gut, wenn letztendlich so etwas dabei rauskommt?

Die Entwürfe für die nördliche Speicherstadt stehen und wurden entgegen der ursprünglicher Absicht an einen Investor vergeben. Der Projektentwickler asenticon und Investor Reggeborgh haben in Abstimmung mit der ProPotsdam als Grundstücksverkäuferin sowie der Landeshauptstadt Potsdam  fünf Büros: ● Giorgio Gullotta Architekten, Hamburg ● Hascher Jehle Architektur, Berlin ● Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht, Berlin und München ● Müller Reimann Architekten, Berlin ● Wolff Architekten Berlin mit einem nichtöffentlichen Gutachterverfahren beauftragt.

 

 

Für die sieben Baufelder haben 5 Architekturbüros Entwürfe erstellt, womit eine vielfältige Gestaltung des neuen Viertels abgesichert werden sollte. Für das repräsentativ an der Ecke Leipziger Straße/Lange Brücke geplante Hotelgebäude wurde sogar die Durchführung eines Fassadenwettbewerbs vereinbart. Dadurch wollte man der besonderen Lage dieses Grundstücks gerecht werden.

Ein Entscheidungsgremium hat unter der Leitung der Architektin Prof. Hilde León, Professorin am Institut für Entwerfen und Gebäudelehre der Gottfried Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover und Mitglied der Akademie der Künste Berlin, die Ideen beurteilt. Darüber hinaus war das Gremium mit Vertretern der Stadt Potsdam, der Pro Potsdam und der Projektentwickler besetzt und wurde von Experten fachlich begleitet. Inklusive der Mitglieder des SVV-Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr wurde in der abschließenden Entscheidungsrunde das Architektenbüro Wolff aus Berlin als Sieger für das Hotel ausgewählt. Man jubelte, dass die neue Hotel Fassade gegenüber dem Bahnhof „…einen tollen neuen Akzent an diesem städtebauliche wichtigen Punkt   in der Stadt setzt“

Städtebaulicher wichtiger Punkt? Ja! Toller Akzent ? Nein!

Mitteschön ist nicht begeistert, Mitteschön ist entsetzt! Solch großer kostenintensiver Einsatz und solch dürftiges, nein schlechtes Ergebnis!

Der Entwurf für das Hotel ist belanglos, beliebig und so gar nicht Potsdam würdig. Man wird so in Zukunft aus dem Bahnhof treten und der Blick fällt auf zwei uninteressante durch eintönige Gestaltung auffallende Gebäude. Einmal auf das gruselige Bad und daneben dann nicht minder einfallslos das Hotel, das da entstehen soll.

Ja, das muss man den Architektenbüro Wolff aus Berlin  lassen: Ihr Entwurf passt gut zum Badneubau, bei dem man sich schon fragte, wie kann man solche Architektur als Entre für die Stadt zulassen? Damit wird das Bahnhofsumfeld nun endgültig zum no go Area!

Auch die angepriesene Piazza ist nicht einladend, da der Blick auf die bekannten endlosen Rasterfenster fällt. Keine Fassadengestaltung, die Kleinteiligkeit erzeugt – keine Plastizität und abwechselnde Rhythmen, die einen öffentlichen Raum abwechslungsreich machen -, vorrangige Diktatur des rechten Winkels. Das erzeugt keine Aufenthaltsqualität!

 

Schon beim Bad kam von Mitteschön starke Kritik. Es wurde gebaut und die Potsdamer merkten erst hinterher was für einen Klotz man uns da an den Fuß des Brauhausberges gesetzt hatte.

Wir kennen keinen, der im Nachhinein diese Betonmasse als schön empfindet.

Bei dem langen und intensiven Diskurs, der in dieser Stadt über qualitätsvolles Bauen stattfand, ein Diskurs, der von den Professoren der Fachhochschule, von Mitteschön und anderen öffentlichen Gremien geführt wurde, scheint es , dass davon hier nichts zur Kenntnis genommen worden ist.

Man baut, wie immer eine Moderne, die nicht mehr modern ist!

Wie laut muss man denn noch rufen, damit man aufwacht? Stadtverordnete tut was!

 

Saskia Hüneke zu Arnold Bartetzky „Deutschlands fragwürdigstes Rekonstruktionsprojekt“ (F.A.Z. vom. 25. November)

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Symbolik des Wiederaufbaus

Zu Arnold Bartetzky „Deutschlands fragwürdigstes Rekonstruktionsprojekt“ (F.A.Z. vom. 25. November): Die durch Bartetzky vorgenommene Gleichsetzung diktatorisch verfügter Abrisse der DDR Zeit mit den demokratisch untersetzten Beschlüssen zum Stadtumbau in der Potsdamer Mitte ist für mich, die ich in der DDR aufgewachsen und jetzt an diesen Beschlüssen beteiligt bin, unerträglich.

Doch ja, das Fehlen der Garnisonkirche ist für viele Menschen schmerzhaft, und, ebenfalls ja, viele empfinden die DDR Bauten, die wegen ihrer städtebaulichen Mängel urbaneren Stadtstrukturen weichen sollen, als wertvoll. Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg: einen differenzierten öffentlichen Diskurs und darauf fußende demokratische Mehrheitsentscheidungen. Genau dies hat in Potsdam von 1990 bis heute stattgefunden, und ich beklage ausdrücklich die Ignoranz altbundesdeutscher Autoren gegen über diesen Prozessen in einer hochengagierten Bürgerschaft.

Der Stadtumbau betrifft nur den Kern der Potsdamer Mitte. Zahllose Bauwerke der DDR-Zeit wurden seit 1990 in Potsdam hervorragend saniert. Es kann keine Rede davon sein, diese Zeitschicht würde mit „brachialen Mitteln“ und einer „Tabula-rasa-Haltung“ beseitigt. Die Fragen nach der Berechtigung von Rekonstruktionen oder des Denkmalwertes der DDR Bauten wurden ebenso erörtert wie die Frage, ob der Erhalt der FH oder die Errichtung von 600 Wohnungen in Bahnhofsnähe nachhaltiger ist. Die neuen Baufelder anstelle des FH-Gebäudes werden einzelne historisierende, viele neue Bauten und einen ausdrücklich sozialverträglichen Wohnungsmix erhalten. Die Fachhochschule ist nach Planung des Landes Brandenburg längst in einen hervorragen den Campus in maximal 15 Fahrradminuten Entfernung umgezogen. Eine Fülle öffentlicher Kultureinrichtungen belebt die Mitte. Die Zwischennutzung des Rechenzentrums ist der freundlichen Zustimmung der Garnisonkirchenstiftung zu verdanken, der Eigendynamik der Kunst- und Kreativszene folgt die Stadt, ebenfalls mit großer Mehrheit, mit der Option für ein neues Kunst- und Kreativzentrum.

Es liegt in der Natur von Kompromissen und ihnen folgenden Mehrheitsbeschlüssen. dass nicht alle mit allen Ergebnissen zufrieden sein können, aber mit denen, die diese nach all den Diskursen als „obrigkeitliches, Agieren“ empfinden, wird man kaum Lösungen finden können.

Bezogen auf den Standort Garnisonkirche, wäre größere Genauigkeit in der Bewertung des Bürgerbegehrens zu dem bereits baugenehmigten Vorhaben, in der Analyse des keineswegs einseitig „martialischen“ Schmuckes der Kirche oder gar in ihrer vielfältigen, reaktionäre ebenso wie fortschrittliche Aspekte umfassenden Nutzungsgeschichte erforderlich. Bleibt die Frage nach der Symbolik des Wiederaufbauvorhabens: Sie steht auf dem Boden der ehemaligen DDR immer zunächst für eine befreite öffentliche Debatten- und Entscheidungskultur und wird erfahrungsgemäß dann von dem Geist bestimmt, der heute darin wirkt. Und das ist hier vor dem Hintergrund der kritischen Aufarbeitung der Geschichte des Ortes Friedensarbeit im Geist der Nagelkreuzgemeinde von Coventry. Die geradezu abergläubische Konstruktion einer „Kontamination“ oder Furcht vor der Nachwirkung vergangener schlimmer Ereignisse an einem Ort kann heutzutage jedenfalls nur verwundern.

SASKIA HÜNEKE, STADTVERORDNETE, AUSSCHUSS FÜR STADTENTWICKLUNG, BAUEN UND VERKEHR, STADT-FORUM POTSDAM

Kommentierung der Entwürfe Los 1 – 4

Um das Ziel der Leitlinien und Ziele für die Potsdamer Mitte, nämlich „vorbildlichen Städtebau“ und „die Heilung und Ergänzung des Gesamtkunstwerks Potsdam“ zu erreichen müssen sich die Entwürfe an den Leitlinien messen lassen. Die Präambel der Leitlinien schreibt eine Beachtung der „Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale und überlieferten Gestaltungsregelungen“ vor, die das „eigenständige Wesen und die Atmosphäre dieser einstigen Residenzstadt geprägt haben“.

Da durch die Vorgabe des historischen Stadtgrund- und aufrisses und die damit verbundenen Kleinteiligkeit der Parzellierung wesentliche Vorgaben zur Wiedergewinnung der Gesamtensemblewirkung vorgegeben sind, haben wir uns auf die Fassadengestaltung der Entwürfe beschränkt. Das gilt insbesondere für die Entwürfe in zeitgenössischer Architektur außer den beiden Leitfassaden.

 

Bewertungskriterien waren dabei:

  1. Einhaltung der Ziele und Leitlinien des Leitbautenkonzeptes
  2. Einhaltung der Vorgaben und Empfehlungen aus den Grundstückspässen
  3. Einhaltung Potsdam-spezifischer Gestaltungskriterien
    1. Vielfalt der geometrischen Formen
    2. Beachtung Goldener/Silberner Schnitt
    3. Fensterreihung- und –rhythmus
      (Ungerade Reihung 3/5/7)
    4. Plastizität, Detail und Ornamentik in
      moderner Formsprache

 

Siehe auch unser Video zu den Potsdam-spezifischen Gestaltungsregeln: Potsdam eine Stadt zum Verlieben.

 

Auf dieser Grundlage haben wir die Entwürfe für die einzelnen Lose bewertet und in drei Kategorien eingeteilt:

  1. Empfehlung: Entwürfe, die der Überarbeitung bedürfen.
  2. Ablehnung: Entwürfe, die die Vorgaben aus den Leitbautenkonzept nicht erfüllen oder Potsdam-spezifische Gestaltungsmerkmale gänzlich vermissen lassen und die unserer Einschätzung nach durch Überarbeitung nicht zu heilen sind.
  3. Offen: Entwürfe, die eventuell durch deutliche Überarbeitung verändert werden könnten, aber bei denen wir nicht wissen können, ob das überhaupt möglich ist.

Die Nutzungen konnten nicht beurteilt werden, da diese nur abstrakt beschrieben waren.

Unsere Devise:

Gesucht ist die individuelle Lösung für einen individuellen

Bauplatz unter Beachtung der Gesamtensemblewirkung.

 

Los 1: Achteckenhaus (Schwertfegerstraße 10) und Friedrich-Ebert-Straße 1/2.

Die Entwürfe 1A und 1B nähern sich bzgl. des Achteckenhauses beide dem historischen Gontards sehr, wobei sich der Entwurf 1A dem historischen Original am meisten annähert. Im Entwurf 1B sind leider die Rundbogenfenster in der Belle Etage entfallen. Hier wäre nach den die „Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale und überlieferten Gestaltungsregeln“[1] eine Betonung des 1. Obergeschosses notwendig (Rundbögen, Verdachungen). Im Entwurf 1B fehlt leider der Bauschmuck völlig. Mehr Plastizität (L 1.3.10) bleibt hier auch zu wünschen. Unklar bleibt, warum die Entwürfe 1B und 1C 4 statt 3 Fenster an der Friedrich-Ebert-Straße aufweisen. Gerade der ungerade Fensterachsenrhythmus (3/5/7, Hier Achteckenhaus 3, Friedrich-Bert-Straße ½ 9, Plögerscher Gasthof 7) ist wichtig für die Vielfalt in der Straßenzeile und Gesamtensemblewirkung.

Der Entwurf 1C importiert eine eher süddeutsche Ästhetik, die in der Potsdamer Altstadt keinen Anschluss findet.

Bei 1A und 1B leben die Entwürfe für die Friedrich-Ebert-Straße 1/2 vom Kontrast zu ihren Nachbarn (Plögerscher Gasthof südwärts, Achtecken nordwärts). Eine weitere Detaillierung (Überarbeitung Gesimse, Fensterverdachungen, Bauschmuck) käme unmittelbar der Qualität des „Füllbaus“ an der FES zugute.

Der Entwurf für die Friedrich-Ebert-Straße des Bieters 1A ist reine Schlitz-Rasterfassade und auch durch Überarbeitung nicht leitlinienkonform zu überarbeiten. Er weist eine Potsdam-untypische gerade Zahl an Fensterachsen auf und wirkt viel zu Monoton. Das Erdgeschoß ist zwar überhöht, erscheint aber durch seine Teilungen für Gewerbe ungeeignet. Eine nach den Leitlinien in L.1.1. geforderte Kommunikation des Entwurfes mit der benachbarten Leitfassade ist nicht erkennbar.

Der Vorschlag des Bieters für die Friedrich-Ebert-Straße mit der Nummer 1B ist konsequent modern, gut proportioniert und erinnert etwas an Gehrys Bankgebäude am Pariser Platz. Bei diesem Entwurf wäre es dringend notwendig sich rechtzeitig und verbindlich über die Fassadenmaterialien zu verständigen. Diese müssten gediegen, aber nicht protzig sein. Zu überdenken ist der Schattenwurf am Übergang zu den Nachbargebäuden.

 

Bei 1C ist die Auflösung der Parzelle Friedrich-Ebert-Straße 1/2 in zwei Parzellen zwar im Prinzip löblich, in diesem Entwurf jedoch ungelenk und willkürlich gelöst. Wie ein solcher Entwurf mit den in den Leitlinien geforderten naturroten Dachziegeln gelöst werden soll (L1.3.8.) bleibt unklar.

Grundsätzlich ist Mitteschön mit der reaktionslosen Aufweitung der einstmals doppelsymmetrischen Kreuzung nach der Referenz der „Quattro canti“ in Palermo nicht glücklich. Es entsteht nun eine ovale Kreuzung, die mangels städtebaulicher Fassung nie ein Platz werden kann. Umso wichtiger wäre es deshalb, die vier Eckbauten durch ihre einheitliche Architektur zusammenzuhalten, sonst sucht der Besucher den Sinn der Gestaltung vergebens.

 

Empfehlung: 1B mit Überarbeitungswünschen, da hier die Friedrich-Ebert-Straße 1/2 besser gelöst ist.

Ablehnung:    1C und 1A (wegen des Vorschlags zur Friedrich-Ebert-Straße)

Los 1A, Bieter 21066
Ablehnung
Los 1B, Bieter 21067
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 1C, Bieter 21068
Ablehnung

Los 2 (Fuge, Schwertfegerstraße 11)

Die Idee der Verwendung von Sternpaneelen des ehem. Instituts für Lehrerbildung (IfL)/Fachhochschule bei einem Neubau lag auf der Hand. Auch die Parzelle bietet sich für eine solche Geste an, da das historische Grundstück durch die Verschiebung der heutigen Friedrich-Ebert-Straße nicht mehr zur Verfügung stand. Jedoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Verwendung an vielen Stellen den Ausschreibungsrichtlinien widerspricht.

Der Entwurf 2A kommt im Erdgeschoß nicht zu Boden und schlägt eine 70er-Jahre-Lösung vor. In dieser Nordfassade an der Wendeschleife einer Tiefgaragenzufahrt den Eingang tief hineinzuziehen, erscheint unglücklich. Die Erdgeschosssituation ist in Entwurf 2B besser gelöst. Bei beiden Nutzungsarten ist die Schaufensterfront passender. Die Dachlösungen sind allerdings in beiden Entwürfen noch zu überdenken. Während 2A eine Brandwand des Achteckenhauses inszeniert (die es allerdings historisch gab), zieht 2B das Sternpaneel willkürlich in die Schräge des Daches. Der Übergang der Traufe erscheint unpassend und gewollt.

Der Reiz des Paneels jedoch besteht nur zum Teil in seinem lokalen, nostalgischen Bezug zum Gebäude der ehem. FH Potsdam. Die Ornamentik hat ihren Ursprung in der pyramidenartigen Bossierung der Renaissancebauten Oberitaliens (u.a. Palazzo die Diamanti, Bauzeit 1492-1567, Ferrara, Architekt: Rosetti, unterstes Bild) und lebt – auch in der modernen Tradierung als Sonnenschutz-Paneel vor Kaufhäusern oder Gewerbebauten – von der Schattenbildung (das war bei der Verwendung in der FH kaum zu sehen, da die Teile zurückversetzt eingebaut waren). Das kommt durch die Verwendung als Dach nicht zur Geltung – eine als Dach notwenige Hinterglasung macht die Idee zusätzlich unpraktisch.

Diese architektonische Qualität kommt nur zum Tragen, wenn die Paneele nur in einer Ebene eingebaut werden. Es wäre wünschenswert sich für beide Entwürfe alternative Dachlösungen, bevor entschieden wird.

Der ortsbeliebige Glasbau 2C wird ablehnt. Der Entwurf paraphrasiert den Gewerbebau von Grüntuch/Ernst am Berliner Hackeschen Markt und ist damit ein dezidiert großstädtischer Bau, der zudem in der untergeordneten Schwertfegerstraße außer einem bewussten Anderssein keine Qualität entfaltet. Eine Korrespondenz/Dialog mit den Leitfassaden (L 1.1.) ist nicht erkennbar.

Sollte sich die Jury für das Sternpaneel entscheiden ist eine Informationstafel zwingend notwendig, da sich dem Potsdam Besucher der Sinn sonst nicht erklärt.

Empfehlung:  2A oder 2B mit Überarbeitung   Ablehnung:   2C

 

Los 2A, Bieter 21069
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 2B, Bieter 21070
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 2C, Bieter 21072
Ablehnung

3. Los (Schwertfegerstraße 12)

Der Entwurf 3A schließt nahtlos an die Fassade Brauerstraße 1 an. Bis auf die völlig überflüssige große Hausnummer ist der Entwurf zurückgenommen-abstrakt und damit zwischen den markanten Eckbauten akzeptabel. Gerade in der Schwertfegerstraße, wo eine größere Varianz der Entwürfe zu erwarten war, sollte auf eine gewisse Ruhe in der Fassadenabwicklung geachtet werden, damit der Besuch der neuen Straße nicht zur ästhetischen Achterbahn wird. Allerdings fehlt dem Entwurf eine Zonierung und Hierarchisierung der Geschosse.

Ähnlich ist 3B, hier täte ggf. ein Gurtgesims dem Haus gut. Die Fassade sollte nochmals mit Werbung über dem Erdgeschoss dargestellt werden.

 

3C fällt mit seinem Klinkeranteil bewusst aus der Reihe. Das Material ist in Potsdam eher in gründerzeitlichen Quartieren üblich. Am Alten Markt wirkt der Entwurf daher fremd. Auch die Verkleidung der Fassade mit Platten (Beton oder Naturstein?) wirkt eher berlinisch denn potsdamerisch.

In der Zonierung ist die Belle Etage nach oben gerutscht, hierdurch fällt der Bau in der Reihe auf. Das Erdgeschoss ist gut gelöst. Insgesamt gehört der Bau aber eher nach Babelsberg.

 

3D ist eine völlige Abstraktion in der Ästhetik der 1990er Jahre, wie sie Potsdam auch in dieser Seitenstraße nicht verdient hat. Selbst bei Ausführung in besten Materialen wird dieser Bau in jeder Hinsicht schlecht altern und – wie schön ähnliche Bauten z.B. in der Jägerstraße – ein ständiges Ärgernis bleiben. Im fehlt Hierarchisierung, Plastizität – eigentlich alles, was die Leitlinien zur Grundstücksvergabe vorschreiben.

 

3E hat eher den Charakter einer Hoffassade und ist ein für die Potsdamer Altstadt völlig untypischer skelettierter Bau. Die hierarchisierten Obergeschosse wirken seriell und beliebig fortführbar. Die Nord-Loggien erscheinen auch mit dem Grundriss zusammen sinnlos. Die eigentlich gute Erdgeschoßzone kann genannten die Mängel jedoch nicht wettmachen.

 

Empfehlung:  3B mit Überarbeitungen   Ablehnung:   3D,  Offen: 3A, 3C und 3E

 

Los 3A, Bieter 21073
offen
Los 3B, Bieter 21074
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 3C, Bieter 21075
offen
Los 3D, Bieter 21076
Ablehnung
Los 3E, Bieter 21077
offen

Los 4 (Schwertfegerstraße 13)

Vorzugsvariante ist klar der klassizistische Entwurf 4A mit seiner klaren Gliederung. In der Überarbeitung sollte über etwas mehr Plastizität, vor allem des Traufgesimses, nachgedacht werden. Hier nochmals auf die Leitlinien L 1.3.10. verweisen. Über dem Eingang würde sich eine baukünstlerische Äußerung, z.B. als Relief oder Plastik, gut machen.

Der Klinkerentwurf 4B gehört deutlich in eine gründerzeitliche Nachbarschaft und wirkt in der Schwertfegerstraße ortsfremd. In Putz wäre er allerdings ein gutes Haus, der auch in der Schwertfegerstraße zu realisieren wäre.

4C ist eine durch Verklinkerung verkappte Schlitz-Rasterfassade, die genauso wenig nach Potsdam passt wie der Entwurf 4E, über den das Urteil der Arbeit 3D zu wiederholen wäre. Modisch, zeitgeistig und mutmaßlich mit einer ästhetischen Halbwertzeit von weniger als 5 Jahren. Der Qualitätsanspruch der Leitlinie Z 1.2. ist nicht erkennbar. Der Entwurf ist darauf angelegt, das Gesamtkunstwerk zu zerstören, nicht es fortzuführen.

Die Arbeit 4D wirkt gewollt und unentschlossen in dem Versuch Elemente der durchaus Potsdam typischen Neogotik einzufügen. Dadurch fehlt dem Entwurf die Kraft sich in der Straße zu behaupten. Ggf. könnte hier eine Überarbeitung zu einem klareren Entwurf kommen.

Empfehlung: 4A und 4D mit Überarbeitungen  Ablehnung:   4C und 4E

Offen:  4B

 

Los 4A, Bieter 21078
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 4B, Bieter 21079
offen
Los 4C, Bieter 21080
Ablehnung
Los 4D, Bieter 21081
Empfehlung mit Überarbeitung
Los 4E Bieter 21082
Ablehnung